Wie viel Europa steckt eigentlich in Paderborn? Das war die Ausgangsfrage des Seminars „Europa vor Ort“. Ganz allgemein lässt sich diese Frage selbstverständlich nicht beantworten, dafür ist die Europäische Union zu vielschichtig. Beispiele gibt es jedoch zahlreiche: Sei es der Flughafen Paderborn-Lippstadt, Wanderwege in Ostwestfalen-Lippe, die Windräder am Haxter Grund, Sportgeräte beim Hochschulsport oder Freiwilligenprojekte für Jugendliche.
In fünf Beiträgen könnt ihr herausfinden, wo euch die EU in Paderborn und Umgebung überall begegnen kann.
Endlich Sommerferien! Die Temperaturen steigen und ganz Deutschland freut sich auf den wohlverdienten Urlaub, auf ein bisschen Entspannung, Ablenkung und eine Auszeit jenseits der Strapazen des stressigen Alltags. Der Höhepunkt der Reisezeit ist eingeläutet. So gleich die Vorfreude bei allen ist, so unterschiedlich sind die gewählten Reiseziele für die schönste Zeit des Jahres: Die einen machen sich auf den Weg an die deutsche Nord- oder Ostseeküste, andere verschlägt es zum Wandern in die Alpen oder in die deutschen Mittelgebirge, und wiederum andere zieht es in die Ferne.
Menschen aus Ostwestfalen-Lippe, Südwestfalen und den angrenzenden Regionen steuern dabei nicht selten als erste Station den Flughafen Paderborn/Lippstadt an, von wo aus es sie hinaus in die weite Welt führt. Und auch, wenn es sich beim „Heimathafen“ lediglich um einen Regionalflughafen handelt, ist er für die rund sechs Millionen Menschen, die in seinem Einzugsgebiet leben, nicht weniger von Bedeutung – für die Urlaubsplanung genauso wie für Geschäftsreisen und den Frachtverkehr. Wählen können Passagiere dabei zwischen 15 verschiedenen Zielen aus acht Ländern. So werden Orte in Spanien (Palma de Mallorca, Alicante, Malaga, Fuerteventura, Gran Canaria/Las Palmas), Griechenland (Heraklion, Kos, Rhodos), der Türkei (Izmir, Antalya), Tunesien (Djerba), Ägypten (Hurghada), Bulgarien (Burgas) und im Kosovo (Pristina) angeflogen, hinzu kommen Flüge zum Drehkreuz München. Insgesamt zählte der Flughafen im vergangenen Jahr (2022) 38.035 Flugbewegungen sowie 502.629 Passagiere und ist somit nach Flugbewegungen der Zwölftgrößte Deutschlands. Dass der Flughafen Paderborn/Lippstadt nicht mit dem Frankfurter Flughafen vergleichbar ist, lässt sich wohl kaum bestreiten. Dennoch hat auch unser ostwestfälischer Flughafen einiges Internationales zu bieten – und dabei sind die Flugziele längst nicht alles. Schaut man genauer hin, findet man tatsächlich zahlreiche Stellen, an denen die Europäische Union Einfluss auf den Paderborner Flughafen hat. Wir haben uns einmal vorgestellt, wo uns dort überall Europa begegnen könnte.
15:27 Uhr: Vom Parkplatz aus betreten wir das Flughafengebäude. In der Abflughalle angekommen, fällt unser Blick als erstes auf die Anzeigetafel mit den Abflügen und Ankünften. Hier tauchen neun Flugziele in den EU-Ländern Spanien, Griechenland und Bulgarien in der Liste auf, während fünf Ziele außerhalb der EU liegen, aufgeteilt auf vier verschiedene Länder.
Dass wir überhaupt so einfach ins Ausland verreisen können, haben wir der EU zu verdanken, genauer gesagt den Schengener Abkommen. Sie ermöglichen es uns, ohne Grenzkontrollen zwischen den teilnehmenden Ländern hin- und her zu reisen. Kontrollen an den Außengrenzen werden nach gemeinsamen Standards durchgeführt und für Drittstaatenangehörige gelten gemeinsame Visumsvorschriften. Der Grundstein für dieses Projekt wurde 1985 von fünf EU-Ländern gelegt. Seitdem ist die Zahl der Teilnehmerstaaten auf 27 angewachsen, darunter alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Irland, Zypern, Rumänien und Bulgarien. Zusätzlich zu den dann noch verbleibenden 23 EU-Ländern beteiligen sich Island, Liechtenstein, die Schweiz und Norwegen am Schengen-Raum. Insgesamt umfasst dieser Raum des freien Personenverkehrs damit knapp 420 Millionen Menschen auf einer Fläche von über 4 Millionen km2.
16:02 Uhr: In der Halle herrscht reges Treiben, überall laufen Menschen mit Gepäck hin- und her. Einige gehen ihre Reiseunterlagen durch. Haben sie an alles gedacht? Welche Dokumente genau sie vorzeigen müssen, hängt von ihrem Flugziel ab und wird später bei der Passkontrolle wichtig. Nachdem die Passagiere eingecheckt sind und ihr Gepäck abgegeben haben, führt ihr Weg sie genau dorthin.
Die EU ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, im Schengen-Raum frei mit einem gültigen Reisepass oder Personalausweis zu reisen. Möchte man also in eine der im Schengen-Gebiet liegenden Ziele in Spanien oder Griechenland, die vom OWL-Airport angeflogen werden, reisen, ist der Personalausweis als Reisedokument ausreichend, und selbst dieser wird in der Regel nicht kontrolliert. Passagiere, die von Paderborn nach Burgas in Bulgarien, welches zwar EU-, aber nicht Schengen-Mitglied ist, fliegen wollen, müssen hingegen ihr Reisedokument zwingend vorzeigen, wenngleich der Personalausweis auch hier ausreicht.
Alle anderen Reiseziele ab Paderborn/Lippstadt liegen außerhalb des Schengen-Raums und der EU. Hier gilt grundsätzlich eine Visumspflicht. In einigen Fällen wurde diese allerdings durch individuelle Abkommen der betreffenden Staaten mit der EU aufgehoben. Ein solches soll spätestens ab 2024 mit dem Kosovo in Kraft treten. Oft sind es aber auch Einzelstaaten, die unabhängig von der EU mit Drittstaaten Vereinbarungen treffen. Solche Vereinbarungen ermöglichen es deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern schon jetzt, ohne Visum in den Kosovo für maximal 90 Tage zu reisen, sowie nach Tunesien bei Kurzaufenthalten von bis zu vier Monaten und in die Türkei für einen Aufenthalt von maximal 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von höchstens 180 Tagen. In all diesen Ländern wird außerdem kein Reisepass benötigt, es reicht der Personalausweis – für Tunesien gilt das aber nur, wenn eine Pauschalreise gebucht wurde. Passagiere am Flughafen Paderborn/Lippstadt, die also Djerba, Izmir, Antalya oder Pristina auf ihrem Boardingpass stehen haben, müssen für ihre Reise kein Visum beantragen und können in der Regel nur mit Personalausweis gewappnet ins Flugzeug steigen. Für die Einreise nach Ägypten wird hingegen in jedem Fall ein Visum benötigt. Ein Reisepass ist auch hier nicht zwingend erforderlich, aber er erleichtert das Verfahren im Vergleich zur Einreise mit einem Personalausweis.
Sicherheit in der zivilen Luftfahrt
16:36 Uhr: Nach der Passkontrolle gehen wir weiter zur Sicherheitskontrolle. Hier kommen wir als Reisende mit den europäischen Regelungen zur Luftsicherheit in Berührung. Die gemeinsamen Vorschriften der EU zielen darauf ab, die zivile Luftfahrt vor gefährlichen Eingriffen zu schützen. So muss jeder Flughafen einen Sicherheitsbereich besitzen, für den strenge Zugangskontrollen vorgeschrieben sind. Damit wird verhindert, dass Besucher des Flughafens ohne gültigen Flugschein zu den Flugsteigen gelangen können. Neben den Besuchern und Besatzungsmitgliedern müssen auch Handgepäck und aufgegebenes Gepäck, Fahrzeuge sowie Fracht und Post kontrolliert werden. Die weitreichenden EU-Vorschriften verfügen zudem, dass Flughafenmitarbeiter, die Zugang zum geschützten Bereich haben, eine Zuverlässigkeitsüberprüfung durchlaufen müssen. Ebenfalls geregelt ist, welche Ausrüstung bei der Sicherheitskontrolle zu verwenden ist.
17:13 Uhr: Nachdem wir die Sicherheitskontrolle hinter uns gelassen haben, stranden wir in der Wartehalle und lassen unseren Blick schweifen. Wir erinnern uns, mal gehört zu haben, dass die EU auch in anderen Sicherheitssituationen greift. So erlässt die Europäische Agentur für Flugsicherheit unter anderem Vorschriften für die Lufttüchtigkeit von Flugzeugen, die Ausbildung der Flugbesatzung, die einzuhaltenden Umweltstandards sowie für den Betrieb der Flughäfen selbst: Flughäfen in der EU müssen zertifiziert sein und die vorgeschriebene sicherheitsrelevante Ausrüstung besitzen. Die Vorschriften reichen bis hin zu den physischen Merkmalen der Start- und Landebahn. Für die Zertifizierung neuer Verkehrsflugzeuge gelten immer strenger werdende Anforderungen an die Lärmschutzemissionen, sodass die Lärmbelastung durch den Flughafen Paderborn in den nächsten Jahren immer weiter abnehmen wird. Im Flugzeug selbst verbietet die Rechtsnorm den Zugang zum Cockpit während des Fluges. Diese rechtlichen Regelungen der EU orientieren sich an den Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation, die die EU somit für alle ihre Mitglieder in verschärfter Form verbindlich macht. Die eigentliche Luftverkehrsüberwachung fällt aber in den Zuständigkeitsbereich des Bundes.
17:55 Uhr: Endlich hat das lange Warten ein Ende: Unsere Flugnummer erscheint auf der Abflugtafel zum Boarding. Wir betreten das Flugzeug über die Fluggastbrücke, setzen uns auf unseren Platz und unser wohlverdienter Urlaub kann nun endlich starten. Unser Flugzeug hebt ab gen Süden, unter uns verblassen der Flughafen und unsere Heimat hinter einem Wolkenmeer und wir freuen uns auf das, was kommt.
Alle hier erwähnten Situationen und Personen sind frei von den Autoren erfunden.
Von Tim Basler, Anastacia Ebers, Torben Müller, Caroline Schöne & Sophie Strehl