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Europa vor Ort – Ein Tag am Flughafen Paderborn/Lippstadt (2/2)

Wie viel Europa steckt eigentlich in Paderborn? Das war die Ausgangsfrage des Seminars „Europa vor Ort“. Ganz allgemein lässt sich diese Frage selbstverständlich nicht beantworten, dafür ist die Europäische Union zu vielschichtig. Beispiele gibt es jedoch zahlreiche: Sei es der Flughafen Paderborn-Lippstadt, Wanderwege in Ostwestfalen-Lippe, die Windräder am Haxter Grund, Sportgeräte beim Hochschulsport oder Freiwilligenprojekte für Jugendliche.
In fünf Beiträgen könnt ihr herausfinden, wo euch die EU in Paderborn und Umgebung überall begegnen kann.

EIN TAG AM FLUGHAFEN PADERBORN/LIPPSTADT (2/2)

Finanzierung

Quelle: Flughafen Paderborn/Lippstadt

16:00 Uhr: Wie immer ist der Urlaub viel zu schnell vergangen und wir müssen wieder die Heimreise antreten. Im Flieger finden wir überraschenderweise eine Broschüre zum Flughafen Paderborn und so überbrücken wir die Flugzeit damit, herauszufinden, was eigentlich hinter den Kulissen eines Flughafens geschieht. Wie in anderen Unternehmen auch gibt es Angestellte, Gebäudekosten und Versicherungen zu bezahlen, genauso wie dank Verträgen mit Fluggesellschaften und Firmen Geld verdient wird. Auch hierbei spielt die EU eine wichtige Rolle. Seit den 1990er Jahren fördert sie den Ausbau von Regionalflughäfen, um die Menschen innerhalb Europas mehr miteinander zu verbinden. Aber auch die Mitgliedstaaten haben ihrerseits ihre Flughäfen immer mehr subventioniert, was zu ungerechten Bedingungen im europäischen Wettbewerb geführt hat. Dies verstößt auch gegen das Prinzip des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes. Im Jahr 2014 beschloss die Europäische Kommission deshalb sogenannte Beihilfeleitlinien. Konkret bedeutet dies, dass die Flughäfen sich wirtschaftlich selbst tragen sollen, also ohne Subventionen der Mitgliedstaaten. Damit die Flughäfen sich darauf vorbereiten können, wurde ihnen eine 10-jährige Übergangsfrist bis Frühjahr 2024 gewährt. Der OWL-Airport hatte sich damals gegen diese lange Übergangsfrist ausgesprochen, da der Konkurrenzflughafen in Kassel stärker gefördert wurde. Durch die Pandemie hat sich die wirtschaftliche Situation am Flughafen Paderborn jedoch verschlechtert. Nach einer Insolvenz in Eigenverwaltung, wieder steigenden Fluggastzahlen und einem steigenden Anteil an privaten Flügen hofft der Flughafen Paderborn, nun für die Beihilfeleitlinien und die damit ausbleibenden Subventionen gewappnet zu sein – vor allem, weil der Flughafen im vergangenen Jahr einen Gewinn von 462.500€ erwirtschaftet hat. Die Europäische Kommission plant aufgrund der Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die Übergangsregelung um 3 Jahre zu verlängern.

Diese neuen Leitlinien bedeuten jedoch kein vollumfängliches Subventionsverbot für den Flughafen Paderborn/Lippstadt. Sicherheitskontrollen, Polizei, Zoll und Feuerwehr am Flughafen sind zum Beispiel nicht wirtschaftlicher Natur, sodass die ungefähr 900.000 €, die hierfür seit März 2020 für Flugsicherungsdienstleistungen am Flughafen Paderborn vom Bund übernommen werden, weiterhin gezahlt werden können. Auch Projekte, die ein gemeinsames Interesse der Union wie zum Beispiel Nachhaltigkeit fördern, dürfen weiterhin durchgeführt werden. Und solange die Kreise in ihrer derzeitigen Rolle als Gesellschafter genauso handeln, wie ein privater Investor es tun würde, wird sich an diesem Zustand auch nichts ändern.

Umweltschutz

17:41 Uhr:   Beim Verlassen des Flugzeugs bekommen wir mit, wie sich die jüngere Tochter einer Familie darüber beschwert, dass diese das umweltschädliche Flugzeug als Verkehrsmittel gewählt hat. Sie erklärt ihren Eltern, dass man so viel machen könnte, um das Fliegen nachhaltiger zu gestalten, zum Beispiel könnte man eine Steuer auf Kerosin erheben, ähnlich wie bei anderen Kraftstoffen. Tatsächlich wurde dieser Vorschlag in der EU schon diskutiert, er scheiterte allerdings am Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen. Anstelle dessen werden die Flugkraftstoffanbieter dazu verpflichtet, einen Anteil nachhaltigen Kraftstoffes bereitzustellen, der gestaffelt bis 2050 auf 70 Prozent steigen soll.

Was die Tochter nicht weiß, ist, dass die EU auch lokale Projekte speziell am OWL-Airport fördert. So ist der „Innovationsflughafen Paderborn/Lippstadt“ Partner des Forschungsprogramms „SESAR“ (Single European Sky ATM Research Programme), eine von der Europäischen Kommission ins Leben gerufene Initiative zur Vereinheitlichung, Harmonisierung und Synchronisierung der Dienste im Rahmen des europäischen Flugverkehr-Managements (ATM). Ein Projekt, welches in diesem Zusammenhang häufig genannt wird, ist das Fast-Gate-Projekt. Dieses zielt auf Autonomie auf dem Vorfeld des Flughafens ab und möchte dabei vor allem die Abfertigung optimieren, sodass beim Manövrieren über das Rollfeld die Triebwerke ausgeschaltet bleiben können, um so den CO2-Austoß zu verringern. Die Beförderung der Flugzeuge wird dann von zentral gesteuerten Elektrofahrzeugen übernommen. Bei dieser europäischen Initiative wird an einigen Stellen auch mit der Universität Paderborn und der lokalen Industrie zusammengearbeitet. Unter anderem durch diese Projekte möchte der Flughafen Paderborn/Lippstadt als Erster der Welt weitgehend automatisiert funktionieren, was die technologische Vorreiterrolle der Region, Deutschlands und der EU unterstützt. Auch der Pressesprecher des Flughafens, Matthias Hack, betont in einem Gespräch mit Future moves im September 2022 die diesbezüglichen Chancen für den Flughafen Paderborn: „Die Umstellung der Flugzeugantriebe auf nachhaltige oder sogar emissionsfreie Antriebe [bietet] zusätzliche Chancen gerade für Regionalflughäfen“.

Verbraucherschutz

18:09 Uhr: Leider läuft bei Flugreisen aber nicht immer alles glatt. Im Flughafengebäude angekommen, entdecken wir zwischen all den zufrieden aussehenden Fluggästen, die gerade glücklich und erholt aus dem Flieger gestiegen sind, auch einige andere, die einen weniger glücklichen, gar verärgerten Eindruck machen.

Ein junges Paar berichtet, dass ihr erster Flug gestrichen wurde. Glücklicherweise stand ihnen hier die EU zur Seite, denn sie verpflichtet Fluggesellschaften, in diesem Fall entweder den Preis für den Flugschein zu erstatten oder eine anderweitige Beförderung zum Zielort anzubieten, je nach Wunsch des Passagiers zum nächstmöglichen oder zu einem späteren Zeitpunkt unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen. So konnten sie nun mit uns zurück nach Paderborn fliegen. Außerdem muss laut EU-Vorschrift während der Wartezeit kostenlose Unterstützung am Flughafen gewährleistet werden, wozu beispielsweise Verpflegung und gegebenenfalls die Bereitstellung einer Unterkunft und der Transfer dorthin zählen.

Quelle: Flughafen Paderborn/Lippstadt

Als wir uns mit dem jungen Paar unterhalten, klinkt sich auch eine Freundesgruppe ein, deren Beförderung auf dem Hinflug wegen Überbuchung verweigert wurde und die dank der EU-Anspruch auf Entschädigung, Unterstützung am Flughafen und entweder Preiserstattung oder Umbuchung geltend machen konnten.

Ebenso schreibt die EU vor, dass die Fluggesellschaft haften muss, wenn ein Flug verspätet ist. Je nach Dauer der Verspätung und Länge der Flugstrecke sind sie dazu verpflichtet, betroffenen Fluggästen den Flugpreis zu erstatten, sie am Flughafen angemessen zu betreuen und ihnen eine Entschädigung zu zahlen. Davon profitiert am Flughafen Paderborn/Lippstadt zum Beispiel ein älteres Ehepaar, das mit einer europäischen Fluggesellschaft auf dem Rückweg aus den USA war, und welches wegen der Verspätung noch dazu seinen Anschlussflug in München verpasst hatte. Die EU legt fest, dass dieses Ehepaar Recht auf eine Entschädigung hat, sofern es mehr als drei Stunden verspätet an seinem Zielort ankommt. Wie bei vielen anderen Unterstützungs- und Entschädigungsleistungen gelten auch diese Verpflichtungen nur, wenn die Verspätung nicht auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Quelle: Flughafen Paderborn/Lippstadt

18:32 Uhr: Bei den Gepäckbändern treffen wir noch auf einen jungen Herrn, der dienstlich in München war. Sein Gepäck ist leider nicht zeitgleich mit ihm angekommen und wird ihm entsprechend der EU-Vorschriften binnen zwei Tagen nachgeliefert. Auch bei Verlust wäre die Fluggesellschaft dank der EU haftbar gewesen, genau wie wenn das Gepäck beschädigt am Zielort angekommen wäre. Bei derartigen Unannehmlichkeiten mit verlorenem, beschädigtem oder verspätetem Gepäck haben Flugpassagiere Recht auf eine Entschädigung von bis zu 1300€.

Der Verbraucherschutz der Europäischen Union schützt uns darüber hinaus auch finanziell, wenn wir bei einer Flugreise herabgestuft werden, sorgt dafür, dass mobilitätseingeschränkte Reisende kostenlos am Flughafen und während des Flugs unterstützt werden und legt fest, dass uns Flugpreise mit einem hohen Maß an Transparenz angezeigt werden müssen. So können wir uns bei möglichen Komplikationen vor, während oder nach dem Flug auf die Regelungen der EU verlassen und der positiven Erinnerung an unsere Reise ab Paderborn/Lippstadt steht nichts im Wege!

18:50 Uhr: Erschöpft von der langen Reise verlassen wir den Flughafen. Im Parkhaus fragen wir uns, ob die EU nicht auch vielleicht bei anderen Verkehrsmitteln mit Fördergeldern, Vorschriften und Initiativen ihre Hände im Spiel hat. Aber damit beschäftigen wir uns vielleicht nächstes Jahr!

Alle hier erwähnten Situationen und Personen sind frei von den Autoren erfunden. 

Von Tim Basler, Anastacia Ebers, Torben Müller, Caroline Schöne & Sophie Strehl