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Europavorlesung: Europa vermitteln – aber wie? Ansätze und Vorgehensweisen in der non-formalen politischen Bildung

Ein Rückblick auf die Europa-Vorlesung von Stéphanie Bruel am 26. Januar 2022 an der Universität Paderborn

Europa betrifft uns alle – oft mehr, als uns bewusst ist. Wir essen Oliven aus Spanien, trinken Wein aus Frankreich und können ohne Visum und Kontrollen nach Österreich in den Urlaub fahren.

Was Europa und insbesondere die Europäische Union neben solch anschaulichen Beispielen noch bedeutet, erscheint oft sehr kompliziert. Im Kopf kann es als verschwommenes Bild erscheinen, ein Bild von Institutionen, einem Parlament, an dessen Wahl jede:r regelmäßig beteiligt ist und Ursula Von der Leyen als Präsidentin der Kommission. Europa ist komplex, ambivalent und nicht direkt zugänglich.

Gerade deshalb ist es wichtig, dass es gut erklärt und erlebbar gemacht wird. Aber was macht gelungene Europabildung aus? Über die Rolle, die Herausforderungen und Probleme sowie konkrete Beispiele von Europavermittlung spricht Stéphanie Bruel in einem Vortrag an der Universität Paderborn am 26. Januar 2022.

Zum Einstieg nennt Stéphanie Bruel, Geschäftsführerin der Europäischen Akademie Otzenhausen (EAO) im Saarland das zentrale Anliegen der Europavermittlung: die Bürger:innen beim Erlernen von Demokratie und Verantwortungsbewusstsein in Bezug auf ihre Bürgerrolle zu unterstützen. Es ginge darum, Politikfelder zu verstehen, sie kritisch bewerten zu können und Bezüge zum individuellen Alltag herzustellen.

Der Erwerb solcher Kompetenzen ist laut der gebürtigen Französin ein lebenslanger Prozess, weshalb Europabildung sowohl Kinder und Jugendliche, als auch Erwachsene in den Blick nehmen sollte. Im Rahmen demokratiepädagogischer Ansätze würden Partizipationsbereitschaft, sowie Kompetenzen für Urteils- und Handlungsfähigkeit gefördert.

Bruel betont, wie essentiell europapolitische Bildung sei, denn die demokratische Stabilität Europas und der Europäischen Union könne nicht durch Institutionen allein, sondern nur mithilfe mündiger Bürger und Bürgerinnen ermöglicht werden.

 

“Europa ist nicht linear und nicht nur eine Erfolgsgeschichte”

 

Bruel weist darauf hin, dass auch die Probleme, Reibungen und Konflikte in Europa einen wichtigen Aspekt des zu vermittelnden Wissens ausmachen. Ein subjekt- und konfliktorientierter Ansatz ermögliche es, schwierige Fragen, wie beispielsweise die nach einer gemeinsamen europäischen Identität, zu thematisieren und pädagogisch aufzuarbeiten.

Dabei bringe Europavermittlung auch Herausforderungen mit sich. Stéphanie Bruel erklärt, dass geografische und emotionale Distanz zur Europäischen Union häufig eine erste Hürde zur aktiven Unionsbürgerschaft darstellen. Auch die Komplexität und die Dynamik der Union könnten abschreckend auf Lernende wirken, denn wie soll ein politischer Zusammenschluss verstanden werden, in dem sich stetig etwas verändert? Nicht zuletzt halten sich auch Legenden wie die der vermeintlich exorbitant hohen Zahl von Beamten in der  EU-Verwaltung

Die Aufgabe der Vermittelnden sei daher zunächst, das Vorwissen und die möglichen Vorurteile zu erkennen, um diese dann gezielt mit Informationen und Erfahrungsangeboten zu ergänzen.

Die Referentin gibt dann einen Überblick über die Akteure der Europavermittlung. Neben der formalen Bildung an Schulen und Universitäten zeige sich eine sehr heterogene Landschaft non-formaler Akteure wie etwa Vereine, NGOs, politische Stiftungen und auch kirchliche Träger. Als konkretes Beispiel nennt sie hier das Maison de l’Europe und die ASKOEuropa-Stiftung.

Abschließend gibt Stéphanie Bruel Einblicke in die Bildungsmethoden der Europäischen Akademie Otzenhausen (EAO), eine der ältesten und renommiertesten Europäischen Bildungs- und Begegnungsstätten in Deutschland.

Bruel erläutert, dass man Europa erleben könne, ohne es direkt zu thematisieren; etwa im Kontext des interkulturellen Lernens, bei dem  Themen wie Theater oder Sport im Vordergrund stehen.

Ein anderer Weg der Europavermittlung ist das direkte Ansprechen des Themas, zum Beispiel in Simulationsspielen. Die Teilnehmenden versetzen sich dabei in andere Rollen und verstehen so nicht nur die institutionelle Landschaft der EU besser, sondern auch ihre (europäischen?) Mitmenschen.

Die Geschäftsführerin der EAO nennt weitere Beispiele, wie dieMöglichkeit von Studienreisen, die ihrer Meinung nach die perfekte Gelegenheit sind, Europa vor Ort zu erleben, oder Workshops als vielversprechendes Mittel zur Europavermittlung: Hier haben Beteiligte die Möglichkeit,  ein gemeinsames Produkt zu gestalten, wie zum Beispiel einen Radiobeitrag, was nicht nur inhaltlich reizvoll sei, sondern auch interkulturell.

Zu guter Letzt unterstreicht Stéphanie Bruel die Bedeutung von freien Zugängen zu Europabildung für alle Bürger_innen, die es zu schaffen gilt. Dies gelinge auch durch den Abbau von Barrieren, wie ein Mangel an Information und fehlende Mobilität. Intelligente Lösungen hat die EAO, deren Kerngeschäft die politische Bildung ist, bereits für so manches dieser Probleme gefunden: von Lesungen renommierter Autor:innen in Bars, über Podcasts bis hin zu Methoden des Casual Learnings, wie EU-Mythen auf Bierdeckeln. Europa müsse „erlebbar“ gemacht werden, indem es erklärt und seine ständige Präsenz den EU-Bürger:innen bewusst gemacht werde.

 

Über Stéphanie Bruel: 

Gebürtig stammt Stéphanie Bruel aus Tulle, einer Stadt im Zentrum Frankreichs. Neben Geschichte und Germanistik studierte sie auch Europäische Studien und ging nach dem Abschluss ihrer akademischen Laufbahn nach Deutschland, wo sie bei NGOs und anderen zivilen Organisationen im Bereich der Kultur und (politischen) Bildung tätig war. Seit 20 Jahren lebt und arbeitet Stéphanie Bruel nun im Saarland, wo sie im Jahr 2019 Geschäftsführerin der Europäischen Akademie Otzenhausen (EAO) wurde. Stéphanie Bruel ist weiterhin Vorstandsmitglied der Asko Europa-Stiftung, die sich der Verknüpfung der Themen Europa und Nachhaltigkeit verschrieben hat.

Text: Louisa Schmeiduch, Redaktion: Rahel Schuchardt