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Parlamente reden mit – Ein Rückblick auf die Europa-Vorlesung Christophe Arends

Parlamente reden mit – Die deutsch-französische Beziehung erfindet sich neu

 

„Wie kann Parlamentarismus das deutsch-französische Verhältnis beeinflussen?“ Mit dieser Frage stieg Christophe Arend, französischer Abgeordneter der Renaissance (ehm. La République en Marche) und Co-Vorsitz der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV)  in seinen Vortrag im Rahmen der Paderborner Europavorlesungen am 05. Mai 2022 ein. Obwohl ein gemeinsames Parlament der beiden Nachbarstaaten anfangs als Ding der Unmöglichkeit erschien, hat es seit seiner Gründung 2019 seinen Weg in die Diplomatie geschafft. In seinem Exposé gab der Europäer, wie er sich selbst nennt, Einblicke aus erster Hand in die junge Geschichte und Zukunftsperspektiven der DFPV.

Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung (DFPV) – Ein Booster für die deutsch-französischen Beziehungen

Ein deutsch-französisches Parlament, um die bilaterale Zusammenarbeit der beiden Länder weiter zu vertiefen: seit März 2019 erfüllt die Deutsch-Französische Parlamentarischen Versammlung (DFPV) diese Aufgabe. Das Gremium setzt sich aus jeweils 50 Parlamentarier*innen von deutscher und französischer Seite zusammen und soll mindestens zweimal jährlich, abwechselnd in Frankreich und Deutschland, tagen. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem die Kontrolle der Einhaltung deutsch-französischer Verträge, die Begleitung der Deutsch-Französischen Ministerräte und die Suche nach Lösungen für grenzüberschreitende Herausforderungen.

Dass die Existenz dieser Institution keine Selbstverständlichkeit ist, weiß Co-Vorsitzender Christophe Arend aus erster Hand: “Im französischen Regierungssystem ist diese Form der Diplomatie nicht vorgesehen.“ Wo also finden sich die Anfänge des Gremiums?

“Nach ein paar Bierchen, ich sag’s wie es war, kamen wir auf die Idee, einen Elysée-Vertrag 2.0 zu schreiben”

Zu Beginn Christophe Arends Mandats als Vorsitzender der Deutsch-Französischen Freundschaftsgruppe innerhalb der Nationalversammlung fanden nur sporadisch Treffen zwischen französischen und deutschen Parlamentarier*innen statt. Deutlich zu wenig, nach dem Geschmack des gebürtigen Mosellaners. Während seines ersten amtlichen Aufenthaltes in Berlin im Jahr 2017 traf Arend auf Franziska Brantner, von der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Jung, CDU-Politiker, und Michael Georg, deutscher FDP-Politiker. Allesamt hatten sie zuvor die berühmte Sorbonne-Rede gehört, in der Macron seine Vision für die Europäische Union vorstellte.

Angetrieben von diesem frischen Europa-Enthusiasmus kamen die vier Parlamentarier*innen auf die Idee, die deutsch-französische Zusammenarbeit auf Regierungsebene weiter zu vertiefen. Das Ziel: die Idee eines krisenfesten und effektiven Europas voranzutreiben.

So wurde im Zeitraum vom 20. Oktober bis zum 20. November 2017 an einem deutsch-französischen parlamentarischen Abkommen gearbeitet, das schließlich am 25. März 2019 vom Präsidenten des Bundestages sowie der französischen Nationalversammlung unterzeichnet wurde. “Eine einmalige Sache“, so Arend, denn noch nie zuvor war zugleich im deutschen und im französischen Parlament dasselbe juristische Dokument angenommen worden.

Nationale Unterschiede überwinden

Zentrale Ziele der DFPV sind die Verfolgung gemeinsamer Interessen auf europäischer und internationaler Ebene und die Kontrolle der Einhaltung deutsch-französischer Verträge. Doch auch die Förderung und Angleichung der Umsetzung von EU-Richtlinien fällt in die Aufgabenbereiche der DFPV. Der deutsch-französische Grenzgänger Arend verwies in diesem Kontext auf die Problematiken nationalstaatlicher Unterschiede: In dem Moment, in dem EU-Richtlinien diametral unterschiedlich umgesetzt würden, erzeuge dies kontraproduktive Spannungen in Europa. Diese Abstimmung von gegensätzlichen Interessen zwischen den Mitgliedstaaten, die die DFPV besonders fördern will, verläuft alles andere als reibungslos: “Durch die nationalen Unterschiede in den Regierungssystemen ist es nicht immer leicht, die Parlamente näher zusammenzubringen. Hier nur ein Beispiel: in Berlin gibt es über 20 Ausschüsse, in Paris sind es dagegen gerade einmal acht.”

Wo gehen wir hin?

Nach Arends Vision kann die DFPV nicht das einzige zwischenstaatliche parlamentarische Gremium in Europa bleiben: „Wir müssen es schaffen, dass wir Dreiecke bauen und immer bei bestehenden Freundschaften anknüpfen.“ Gemeint ist, dass weitere Mitgliedstaaten der EU ins Boot geholt werden und so trilaterale Zusammenarbeiten auf parlamentarischer Ebene entstehen, etwa auf Basis des Weimarer Dreiecks.

Abschließend appelliert Arend an die Verantwortung der jungen Generation, Europa positiv zu verändern und Mitmenschen von der europäischen Idee zu überzeugen: „Alles, was wir in Bewegung bringen, hat einen Sinn: mehr Europa“.

 

Über Christophe Arend:

Christophe Arend ist französischer Abgeordneter der Partei “Renaissance” (ehm. La République en Marche LREM) für die Region Moselle. In der Assemblée Nationale ist Arend mitunter Mitglied des Ausschusses für nachhaltige Entwicklung und Raumplanung. Seit Beginn seiner Amtszeit engagiert er sich für die deutsch-französische Zusammenarbeit. So war er aktiv an der Gründung und Gestaltung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung mitbeteiligt, dessen Co-Vorsitzender er heute ist.

Text: Louisa Schmeiduch
Bilder und Redaktion: Rahel Schuchardt