Ist der französische Käse wirklich so gut, wie immer behauptet wird? Wie fühlt man sich als Deutsche zum ersten Mal an einer französischen Universität ? Ist an der romantischen Vorstellung des “Vie à la francaise” wirklich etwas dran? Unsere Kolumnistin Jule Barmwater, selbst Studentin der Europäischen Studien im 4. Semester, schreibt in ihrer Kolumne “Post aus Le Mans” über ihr Leben als Deutsche in der Partnerstadt Paderborns, mit genau der richtigen Prise Witz und Poesie.
Erasmus auf unseren Tellern
Alles fing mit einem verregneten Samstagnachmittag im September an. Carolin, Melanie und ich, alle aus Deutschland, meine Freundin Camille aus Frankreich und mein italienischer Freund Francesco hatten eigentlich vorgehabt, den Tag im Kletterwald verbringen. Dieser fiel aufgrund des Wetters wortwörtlich ins Wasser. Als Alternativprogramm beschlossen wir also, uns bei Camille etwas aufzuwärmen und zu stärken. Francesco bot direkt an etwas zu kochen, selbstverständlich typisch italienisch. So stehen wir schließlich abends an der Aldi-Kasse mit zehn Eiern, Nudeln und Speck, was laut Francesco die einzigen Zutaten sind, die es für eine „wahre“ Spaghetti Carbonara braucht, und diskutieren, ob man Spaghetti schneiden darf oder nicht. Ich nehme schonmal vorweg: Auf gar keinen Fall! In nessun casso!. Als wir schließlich alle an Camilles Esstisch sitzen, probieren wir das erste Mal in unserem Leben besagte echte italienische Carbonara und wissen sofort, dass nichts jemals wieder an diese herankommen wird. Um das Gefühl der dolce vita komplett zu machen, stimmt Francesco italienische Oldies an, bei denen jedoch keiner so textsicher ist wie er selbst.
Aus diesem spontanen Zusammentreffen wird schließlich eine monatliche Tradition. Wenige Wochen später treffen wir uns also wieder bei Camille. Diesmal steht eine Quiche à la francaise auf dem Menü. Aus der Musikbox erklingt allerdings kein italienischer Oldie, sondern Jean Jaques Goldmann. An diesen kulinarischen Erlebnissen ist wohl dies das Französische: Non seulement la musique est bonne, mais aussi la bouffe! – Nicht nur die Musik ist gut, sondern auch das Essen!
Als wir kurz vor den Ferien kommen ein drittes Mal zusammenkommen, steht etwas ganz besonderes auf dem Menü: Risotto italiano zur Vorspeise, schwäbische Käsespätzle zum Hauptgang und eine französische bûche de noël zum Dessert. In diesen Momenten wird mir mehr denn je bewusst, dass Erasmus nicht nur in der Uni stattfindet, sondern direkt vor uns: auf unseren Tellern!
Über die Gastautorin
Jule Barmwater besucht nach ihrem Abitur ein halbes Jahr eine internationale Sprachschule in Nizza und beginnt im September 2020 ihr Studium “Europäische Studien/Études Européennes” in Paderborn. Seit September 2021 absolviert Jule ihr Auslandsjahr an der Partneruniversität in Le Mans, Frankreich. Schon als Kind entdeckt Jule ihre Liebe zum Schreiben, und verschenkt Geschichten und Poesie zu allen möglichen Anlässen.
Redaktion, Bild und Layout: Rahel Schuchardt, Louisa Schmeiduch