Ist der französische Käse wirklich so gut, wie immer behauptet wird? Wie fühlt man sich als Deutsche zum ersten Mal an einer französischen Universität ? Ist an der romantischen Vorstellung des “Vie à la francaise” wirklich etwas dran? Unsere Kolumnistin Jule Barmwater, selbst Studentin der Europäischen Studien im 4. Semester, schreibt in ihrer Kolumne “Post aus Le Mans” über ihr Leben als Deutsche in der Partnerstadt Paderborns, mit genau der richtigen Prise Witz und Poesie.
Alltagsflucht nach Etretat
Es könnte einfacher sein im Moment. Die hohen Covid-Zahlen besorgen uns, alles ist ziemlich chaotisch, wir haben viel für die Uni zu tun und es ist Winter. Doch als an einem Donnerstag feststeht, dass die Kurse des nächsten Tages ausfallen, beschließen ein paar Freundinnen und ich kurzerhand ans Meer zu fahren. Mit dicken Jacken, Mützen und Croissants im Gepäck, fahren wir knapp drei Stunden ans Meer, genauer gesagt nach Etretat in der Normandie.
Die Stadt ist an diesem Freitagmorgen wie leergefegt. Außer uns sind nur ein paar Touristen und Einheimische auf den Straßen. Die Fachwerkhäuser, die die Straßen mit ihren schiefen Fassaden einrahmen, sind immer wieder mit Zylindern verziert – in Anlehnung an Maurice LeBlanc, der hier die Geschichten von Arsène Lupin niederschrieb.
Erst kürzlich erlebten diese Romane eine Renaissance dank der Netflix-Serie Lupin mit Omar Sy. In der letzten Folge der ersten Staffel verbringt der Hauptprotagonist einen Tag mit seiner Familie in Etretat. Wir laufen die Drehorte ab, zücken immer wieder das Handy und lassen auf Netflix die dazugehörige Szene ablaufen. Auf den Spuren Lupins gelangen wir schließlich auf einen der hohen Felsen. Von hier hat man einen tollen Ausblick: auf die Stadt, den Steinstrand und die Aiguille d’Etretat, die berühmte Kreidefelsnadel, die schon Monet inspirierte. Ich stelle mir vor, wie er einst dort saß, wo wir gerade sitzen; Farben anmischte, sich das Tageslicht genauestens anschaute und versuchte, es mit seinen Kunstwerken einzufangen. Vielleicht ging es ihm ja wie uns und er wollte einfach dem Alltag entfliehen. In Etretat funktioniert das ziemlich gut. In der kleinen Stadt fühlt man sich gut aufgehoben, die hohen Klippen vermitteln den Eindruck, als wäre man gerade in Irland oder Schottland – irgendwo weit weg, nicht nur eine Autofahrt vom eigenen Wohnort entfernt. Als wir später zurückfahren wirkt das beruhigende Gefühl des kleinen Städtchens nach, so sehr, dass ich noch im Auto einschlafe.
Über die Gastautorin
Jule Barmwater besucht nach ihrem Abitur ein halbes Jahr eine internationale Sprachschule in Nizza und beginnt im September 2020 ihr Studium “Europäische Studien/Études Européennes” in Paderborn. Seit September 2021 absolviert Jule ihr Auslandsjahr an der Partneruniversität in Le Mans, Frankreich. Schon als Kind entdeckt Jule ihre Liebe zum Schreiben, und verschenkt Geschichten und Poesie zu allen möglichen Anlässen.
Redaktion: Louisa Schmeiduch, Rahel Schuchardt